top of page

One way direction bei den Gesundheitskosten

Das Thema «Gesundheitskosten» schlägt nicht nur mir auf den Magen. Im Sorgenbarometer steht das Thema an erster Stelle. Denn die stetig steigenden Kosten im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung trägt die Allgemeinheit. Und das Parlament findet aufgrund der vielen Interessensvertreter:innen kein probates Mittel dagegen.

Migration, Polarisierung, Wahlen 23, Nationalratswahlen

Die Krankenkassenprämien haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Mittlerweile können über 2.2 Millionen Menschen in der Schweiz ihre Krankenkassenprämien nicht mehr selbst bezahlen. Das ist jede vierte Person.


Aufgrund des Obligatoriums springt in diesen Fällen zurecht der Staat ein und übernimmt mittels Prämienverbilligung oder Direktzahlung die Kosten. Folglich zahlt die Bevölkerung doppelt: direkt mit der eigenen Prämienrechnung, indirekt über die Steuern.


Seit vielen Jahren hören wir dieselben Argumente der Interessensvertreter:innen, weshalb man zur Kostendämpfung an allen andern, nur besser nicht am eigenen Rädchen schrauben sollte. Und so dreht man sich munter im Kreis.


Griffige Massnahmen zur Kostendämpfung sind bekannt und liegen auf dem Tisch. Bereits heute könnten 6 Milliarden Franken pro Jahr eingespart werden, ohne an der Qualität der Versorgung etwas zu ändern.


Als Beispiele sind unter anderem zu nennen: günstigere Medikamente, mehr Generika statt Originalprodukte, ambulante Behandlungen vor stationären bei gleicher Finanzierung, überregionale Spitalplanung, keine Überbehandlungen, Digitalisierungsschub.


Wir haben in der Schweiz das beste Gesundheitssystem der Welt. Daran will niemand rütteln. Doch auch das beste System nützt uns nichts mehr, wenn es irgendwann nicht mehr finanzierbar ist.


Bei chronischen oder akuten Erkrankungen sind Betroffene auf eine medizinische Versorgung auf höchstem Niveau angewiesen – unabhängig davon, ob die Erkrankten sich die Behandlung finanziell leisten könnten oder nicht. Das ist die Kernaufgabe der der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und dazu wurde sie 1996 eingeführt. Das ist richtig und muss so bleiben.

Wie kommt es zu diesem immensen Kostenwachstum im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung?


Ein Teil des Kostenwachstums lässt sich gut erklären. Der wichtigste Grund liegt in der demografischen Entwicklung: Die Zahl der über 80-jährigen Menschen in der Schweiz wächst stetig und wird sich bis 2045 mehr als verdoppeln. Damit verbunden ist eine Zunahme an chronisch kranken Personen. Ein weiterer Grund für den Anstieg der Kosten ist der medizinisch-technologische Fortschritt und die damit einhergehende Zunahme an Behandlungsmöglichkeiten.


Mit diesen Gründen für den Kostenanstieg könnten wir wohl alle leben, weil sie nachvollziehbar sind. 2016 haben das BAG (Bundesamt für Gesundheit) und der Bundesrat jedoch festgestellt, dass «darüber hinaus die Kostenzunahme aber auch auf ein Mengenwachstum zurückzuführen sei, das sich medizinisch kaum begründen lasse. Hier sollen die Kostendämpfungsmassnahmen des Bundesrates ansetzen.»


Was wird unternommen, um das medizinisch kaum begründbare Mengenwachstum einzuschränken?


Der Bundesrat und das BAG haben 2017 ein Expertenteam mit internationaler Beteiligung zusammengestellt, welches diesem nicht-erklärbaren Mengenwachstum auf den Grund gehen und geeignete Massnahmen für eine effektive Kostendämpfung formulieren sollte.


Die Expertengruppe übergab dem Vorsteher des EDI (Eidgenössisches Departement des Inneren), Alain Berset, bereits im Folgejahr einen Katalog mit 38 Massnahmen zur Kostendämpfung im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, welcher vom Gesamtbundesrat zur Kenntnis genommen wurde.


Das EDI wurde beauftragt, aus den Massnahmen ein Kostendämpfungsprogramm zu erarbeiten. Der Bundesrat schickte 2019 das erste und 2020 das zweite Paket mit konkreten Massnahmen zur Vernehmlassung ins Parlament. Die Gesundheitskommission wurde mit der Vorberatung betraut. Und trotzdem ist spüren wir von der Kostendämpfung im Gesundheitswesen auch 2023 noch nichts. Im Gegenteil.


Wo hakt es mit den Massnahmen zur Kostendämpfung?


Überdurchschnittlich viele Parlamentarier:innen sind Interessensvertreter:innen von Akteuren des Gesundheitswesens. Sie verdienen neben ihrer Nationalratsentschädigung Geld über Mandate beispielsweise bei Spitälern, bei der Spitex, bei Patientenorganisationen, bei Kantonen, als Vertreter der Pharma-Branche oder der Ärzteschaft. All diese Stakeholder begrüssen in der Tendenz einen Leistungsausbau in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.


Daneben gibt es im Parlament Interessensvertreter:innen der Krankenkassen, welche sich für tiefere Krankenkassenprämien mittels günstig erbrachter Leistungen durch Spitäler, Ärzte, Spitex, Physiotherapeuten etc. anstreben. Gemäss SRF und Lobbywatch sind es in der laufenden Legislatur 43 Mandate von Parlamentarier:innen, welche für einen Leistungsausbau weibeln und 22 Mandate von Parlamentarier:innen, welche sich im Namen von Krankenkassen für möglichst günstige Leistungen und damit tiefe Prämien in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung einsetzen.


Diese Ausgangslage führt auch in der wichtigen vorberatenden Gesundheitskommission zu Patt-Situationen. Somit stufen SRF, Lobbywatch wie auch Politiker:innen die Arbeit in der Gesundheitskommission als ungenügend hinsichtlich der Erarbeitung von zielführenden kostendämpfenden Lösungen ein.


Was ist zu tun?


Wenn das Parlament und die zuständige Kommission die Kosten im Bereich obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht zu senken vermögen, bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten. Die Zeche dafür zahlt Jahr für Jahr die prämienzahlende Bevölkerung.


In der Wirtschaft würde ein Team, das eine ungenügende Performance abliefert, irgendwann ausgewechselt. Eine Neubesetzung der Gesundheitskommission könnte theoretisch eine Möglichkeit sein, um die Blockadepolitik der letzten Jahre zu durchbrechen. Nach welchen Kriterien und Kompetenzen die Fraktionen die ihr zustehenden Kommissionssitze personell besetzen, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls scheint die personelle Besetzung der einzelnen Sitze und die Zusammensetzung der gesamten Kommission in den letzten vier bis acht Jahren alles andere als optimal gewesen zu sein.


Jedoch stelle ich fest, dass einige Partei- und Fraktionspräsidien bezüglich der Arbeit der Gesundheitskommission mit ihrer Geduld bald am Ende sind. Dies könnte den Weg für eine Neubesetzung der einzelnen Sitze und damit für eine neue Zusammensetzung der Kommission allenfalls ebnen. Falls dies jedoch im Politalltag in Bern kein gangbarer Weg ist (hierfür kenne ich mich zugegebenermassen zu wenig aus), bleibt das Mittel der Volksinitiative.


Die Kostenbremsen-Initiative


Die Mitte hat die Kostenbremsen-Initiative vorgelegt, welche verlangt, dass Bundesrat, Bundesversammlung und Kantone eingreifen müssen, wenn die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen. Das Parlament hat einen Gegenvorschlag erarbeitet, welcher weniger weit geht als die Initiative, was üblich ist.


Aus Sicht der gebeutelten Prämienzahler:innen ist es richtig, dass die Mitte die Initiative nicht zurückzieht – was das Parlament mit dem Gegenvorschlag zu erreichen versuchte – sondern das Volk darüber abstimmen lässt. Ein Ja der Bevölkerung zur Kostenbremse im Gesundheitswesen ist meiner Ansicht nach eine reine Formsache. Die Perspektive für bessere Zeiten ist damit gegeben.


Und zu guter Letzt können wir als Prämienzahlende auch einen – zugegeben – kleinen Teil zur Kostendämpfung beitragen. Unsere zunehmende Anspruchshaltung trägt auch zu Überbehandlungen und Übertherapien bei. Wer war noch nie auf der Notfallstation oder beim Arzt und es hat sich herausgestellt, dass es nichts Arges ist, das auch zu Hause hätte behandelt werden können? Wer hat noch nie eine Zweitmeinung bei einem Spezialisten eingeholt? Dahinter stecke oft die Angst, man könnte etwas Schlimmes verpassen. Diese Null-Risiko-Mentalität führe zur Umkehr der ärztlichen Aufgabe. So sagten viele Mediziner: «Früher mussten wir den Patienten beweisen, dass sie krank sind. Heute müssen wir immer häufiger beweisen, dass sie gesund sind.» (NZZ 26.09.23, Alan Niederer)


Bild: Jordan McQueen via Unsplash

Zeit für eine gute Wahl.
Gemeinsam erreichen wir mehr.

Ich stelle mich bei den Nationalratswahlen am 22. Oktober 2023 zur Verfügung und freue mich über deine Unterstützung.

Herzlichst, Claudia Bodmer-Furrer

Für alle weiteren Anliegen und Fragen

Vielen Dank!

Die_Mitte_RGB.png
bottom of page